Die Illusion, unglückliche Liebe liesse sich vermeiden
Der Zusammenhang von Liebe und Leid
Liebe und geliebt zu werden sind für uns Lebensziele: Die Liebe meines Lebens zu finden. Liebe wird oft mit Glück gleichgesetzt. Liebesfilme enden in der Regel mit einem Happyend, wenn beide Liebenden trotz verschiedener Schwierigkeiten und vielleicht auch Missverständnisse zusammen gekommen sind.
Doch ist das Leid die andere Seite der "Medaille", nur dass dies zum Teil erst viele Jahre später erfahrbar wird, dann wenn es zur Trennung kommt. Erst bei einer Trennung zeigt sich, ob es sich bei dem Gefühl, das zwei Menschen verband, wirklich um Liebe handelte, dann, wenn diese Trennung weh tut.
Ich habe versucht, dies durch ein Foto von einem Herzen deutlich zu machen, das ich auf der einen Seite mit dem Wort "Lieb" und auf der anderen Seite mit dem Wort "Leid" beklebt hatte. Ich versuchte es mit Hilfe unseres Spiegelschranks so zu fotografieren, dass man beide Seiten gleichzeitig sehen kann. Doch "Lieb" und "Leid" waren in Spiegelschrift zu sehen. Also versuchte ich es noch einmal, in dem ich die Worte in Spiegelschrift schrieb, diese beiden Worte, die sich im Deutschen an sich schon spiegeln. Nun waren sie zu lesen.
Doch nicht erst bei der Trennung durch den Tod zeigt sich die andere Seite der Liebe. Auch wenn der Geliebte mich verlässt, spüre ich diesen Schmerz. Erst durch den Schmerz kann ich mir sicher sein, dass ich wirklich eine Beziehung zu dem anderen hatte, denn es zieht mich in meinem Herzen und in meinen Gedanken zu ihm hin. Das kann auch bei einer kurzzeitigen Trennung aufgrund von Reisen der Fall sein.
In anderen Fällen vollzieht sich die Trennung über einen längeren Zeitraum. Man entfremdet sich. Dies kann auch bei einem langsamen, jahrelangem Sterben zum Beispiel bei einer Demenzerkrankung der Fall sein. Dann zieht sich das Leid und der Schmerz über eine lange Zeit hin, verteilt sich und ist darum nicht so schmerzhaft, wie der Schock einer plötzlichen Trennung.
Traurig ist ein Leben aus meiner Sicht aber nur, wenn man diese Erfahrung nie machen konnte. Nicht nur im Gefühl des Glücks und der Freude wird Liebe fühlbar, auch im Schmerz.
Schmerz versuchen wir heute nicht auszuhalten, sondern mit Tabletten zu bekämpfen. Schmerzen müssen heute nicht mehr sein, hört man. Dafür gäbe es ja dank unserer hochentwickelten Medizin die richtigen Therapien. Auch darin zeigt sich Liebe: Ich wende mich nicht vom Leid ab und suche das Glück, sondern wende mich dem Leid der Menschen zu und finde so die andere Seite des Leids: die Liebe.
Unserem Verständnis von Liebe als Glück und Leid als Unglück entspricht, dass wir nicht mehr verstehen können, dass Jesu Tod am Kreuz / Jesu Leid - seit der frühen Christenheit als Ausdruck und Folge seiner und Gottes Liebe zu uns Menschen verstanden wurde. Ebenso können viele nicht mehr annehmen, dass es das Ziel eines Lebens sein kann, sein Kreuz auf sich zu nehmen und Jesus nachzufolgen.